Ein Leben im Dienst der Liebe: Mutter Teresa und ihre Berufung

„Gott achtet nicht darauf, wie viel wir tun, sondern mit wie viel Liebe wir etwas tun.“ – Mutter Teresa

Agnes Gonxha Bojaxhiu, später bekannt als Mutter Teresa, wurde 1910 in eine gläubige Familie im heutigen Skopje geboren. Ihr Vater Nikola Bojaxhiu war Kaufmann und politisch aktiv, starb jedoch früh, als Agnes neun Jahre alt war. Dieser Verlust prägte die Familie nachhaltig, doch ihre Mutter Drana wurde zu einem festen Anker. Drana Bojaxhiu war eine Frau des Glaubens, die in ihrer Nachbarschaft bekannt war für ihre Großzügigkeit und Fürsorge. Sie lehrte Agnes und ihre Geschwister durch ihr Beispiel, dass wahre Liebe im Dienst am Nächsten sichtbar wird. Oft lud sie Bedürftige zum Essen ein oder kümmerte sich um die Kranken. Eine ihrer prägenden Lehren an Agnes lautete:

„Lass nicht zu, dass jemand von dir weggeht, ohne glücklicher zu sein.“

Diese Haltung wurde zur Grundlage für Agnes’ Lebensmission. Bereits mit zwölf Jahren verspürte sie eine Berufung, als Missionarin zu wirken. Sie zeigte großes Interesse an der Arbeit von Missionaren in Indien und entschied sich, diesem Ruf zu folgen.

Von Skopje nach Kalkutta

1928 trat Agnes in die Loreto-Abtei in Irland ein, wo sie Englisch lernte, um in Indien wirken zu können. Schon bald wurde sie in das indische Bengalen geschickt, wo sie als Novizin den Namen Schwester Maria Teresa annahm – inspiriert von der heiligen Thérèse von Lisieux. Nach ihren ewigen Gelübden im Jahr 1937 wurde sie zu „Mutter Teresa“. Sie arbeitete als Schulleiterin in Kalkutta, wurde jedoch zunehmend von dem Leid der Menschen in den Slums außerhalb der Klostermauern erschüttert.

Das Schlüsselerlebnis, das ihr Leben veränderte, ereignete sich 1946 während einer Zugfahrt nach Darjeeling. Mutter Teresa sprach später von einer „Berufung innerhalb der Berufung“. Sie fühlte sich von Jesus persönlich gerufen, den Ärmsten der Armen in den Slums zu dienen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Matthäus 25,40) wurde zum Leitmotiv ihres Lebens.

1948 legte sie ihre Ordenskleidung ab und begann ein Leben unter den Armen. Sie trug einen weißen Sari mit blauer Umrandung, die Kleidung der niedrigsten Kaste in Indien. Dieses äußerliche Gleichmachen mit den Bedürftigen war eine bewusste Entscheidung und sendete eine starke Botschaft.

Die Bedeutung des Sich-Gleichmachens

Mutter Teresa glaubte fest daran, dass wahre Nähe zu den Bedürftigen nur entstehen kann, wenn man ihre Perspektive teilt. Sie schrieb: „Die Armen fühlen sich nur dann wirklich geliebt, wenn wir wie sie leben und sie als ihresgleichen behandeln.“

Aus sozialpsychologischer Perspektive belegen Studien die Wirksamkeit dieses Ansatzes. Ähnlichkeit und gemeinsame Lebensrealität fördern Vertrauen und Empathie. Batson et al. (1997) zeigten, dass Menschen, die sich in die Lage anderer versetzen und deren Lebensumstände teilen, eine tiefere Empathie entwickeln. Diese Empathie stärkt nicht nur die Beziehung zwischen Helfendem und Hilfesuchendem, sondern motiviert den Helfenden, langfristig engagiert zu bleiben.

Praktische Vorteile der Identifikation

  1. Erhöhung des Vertrauens:
    Die Reduktion äußerlicher Unterschiede – wie Kleidung oder Lebensweise – schafft eine gemeinsame Basis, auf der sich die Armen wertgeschätzt fühlen können (Batson et al., 1997). Mutter Teresas Entscheidung, den Sari zu tragen, erlaubte es ihr, Hindernisse der sozialen Distanz zu überwinden.
  2. Symbolischer Wert:
    Ihr Lebensstil sendete eine Botschaft der Solidarität an die Gesellschaft. In einer Welt, die oft von Hierarchien geprägt ist, war Mutter Teresa ein Beispiel für die Überwindung dieser Barrieren.
  3. Förderung der Gemeinschaft:
    Die Entscheidung, wie die Armen zu leben, machte Mutter Teresa zu einer von ihnen. Sie wurde nicht als externe Helferin wahrgenommen, sondern als Teil ihrer Gemeinschaft. Diese Haltung fördert die Akzeptanz und erleichtert den Zugang zu denen, die Hilfe benötigen (Freire, 1970).

Die Kritik an diesem Ansatz

Kritiker werfen Mutter Teresa vor, dass ihre Verherrlichung der Armut systemische Probleme ignoriert habe (Chakrabarty, 2013). Statt Armut zu überwinden, habe sie sich darauf konzentriert, sie zu begleiten. Für Mutter Teresa selbst war jedoch klar, dass es bei ihrer Arbeit nicht um soziale Reformen, sondern um persönliche Hingabe und Nächstenliebe ging.

Ihr Vermächtnis

Mutter Teresas radikaler Ansatz inspirierte Millionen. Durch ihr Vorbild zeigte sie, dass Hilfe keine Distanz verträgt. Sie sah in jedem Bedürftigen das Antlitz Jesu, und dieser Blick verlieh ihrer Arbeit eine tiefe Spiritualität.

Take-Away und Ausblick

Mutter Teresa zeigt uns, dass wahre Veränderung oft nicht durch materielle Mittel, sondern durch die Nähe zu den Bedürftigen entsteht. Was wäre, wenn wir in unseren Begegnungen weniger auf Unterschiede und mehr auf Gemeinsamkeiten schauen würden?

Im nächsten Beitrag erfahren wir, wie Mutter Teresa die radikale Armut als Schlüssel zu echter Liebe verstand und welche Auswirkungen dies auf ihre Arbeit hatte.

Euer Henning Schmale

Henning Schmale verfügt über 20 Jahre C-Level-Erfahrung im produzierenden Mittelstand. Als Dipl.-Ing. und Wirtsch.-Psych. (M.Sc.) bringt er fundierte Kenntnisse in technischen, wirtschaftlichen und psychologischen Veränderungsprozessen mit. Jahrgang 1968, wiedergeborener Christ, verheiratet, Vater von vier erwachsenen Kindern und wohnhaft in Osnabrück.

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Für mehr Informationen: Familienunternehmen – gemeinsam durch die Krise

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Quellen und weiterführende Infos:

Batson, C. D., Fultz, J., & Schoenrade, P. A. (1997). Distress and empathy: Two qualitatively distinct vicarious emotions with different motivational consequences. Journal of Personality

Chakrabarty, D. (2013). Postcolonial thought and historical difference. Princeton University Press.

Freire, P. (1970). Pedagogy of the Oppressed. Herder and Herder.

Mutter Teresa. Eine, die hingebungsvoll liebte. Andrea Specht.

Die Bibel: Matthäus 25,40.